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Liebes Mutare-Publikum, Grenzen zwischen
Verschiedenem trennen zunächst, machen es unterscheidbar, sichern Identität - aber sie laden auch ein zur Überschreitung, zur Annäherung, zum Austausch. Das Verbindende und Kommunikative in der künstlerischen
Grenzüberschreitung ist aber auch zugleich Potential der Irritation, der Verschiebung oder Infragestellung von Grenzen. Neues in der Kunst hat sich immer dadurch ergeben, dass die Grenzen des Bestehenden infragegestellt
wurden. Die Aufhebung tonaler und instrumentaler Grenzen, der Grenze zwischen Sprache und Gesang, zwischen Klang und Geräusch oder zwischen Musik und Theater stellen hier wichtige Entwicklungen in der Neuen Musik dar.
Der Sprechgesang in Schönbergs „Pierrot Lunaire“ hat hier ebenso eine Schlüsselstellung wie das „instrumentale Theater“ Mauricio Kagels, dessen musikalischer Boxkampf „Match“ heute zu den Klassikern der Neuen Musik
gehört. „Das Podium, auf dem der Instrumentalist spielt, unterscheidet sich theoretisch nicht von dem eines Theaters.“ (M. K.)Auch Samuel Beckett hat in seinen späten Stücken die Grenzen der
dramatischen Dichtung verschoben: „Quadrat“ verzichtet ganz auf Sprache und besteht nurmehr aus rhythmisierter Bewegung und Musik. Michael Maierhofs „Plastikquartett“ zeigt anhand mit dem Bogen gestrichener
Plastikbecher, dass immer noch neue instrumentale und klangliche Grenzerfahrungen zu machen sind. Die durchlässigen Grenzen zwischen Naturlaut und instrumentalem Klang werden in Crumbs „Eleven Echoes of Autumn“ oder
in Kühnls „Lausche den Winden“ zum musikalischen Gestaltungsmittel. Die Idee zeitlicher Entgrenzung in der ewigen Wiederholung findet sich in Stücken wie Saties „Vexations“ bis hin zu John Adams minimalistischer, von
den ekstatischen Tänzen der Shaker-Gemeinschaft inspirierter Komposition „Shaker Loops“. Im Projekt „EntARTet“ begegnet aber auch die Problematik des Themas der „Abgrenzung“: möge uns die Gratwanderung zwischen
notwendiger Toleranz und Offenheit für das Andere und der Abgrenzung von dem, was diese Toleranz politisch gefährdet, auch weiterhin gelingen! Regine ElzenheimerDramaturgie |